Psalm 112 B-Dur (WAB 35) 1863 "Alleluja! Lobet den Herrn, ihr Diener"

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Psalm 112 B-Dur (WAB 35) 1863 "Alleluja! Lobet den Herrn, ihr Diener"
Achtstimmiger gemischter Doppelchor u. großes Orchester


Deutsche Übersetzung des Psalmtextes: Joseph Franz (von) Allioli, Die heilige Schrift des alten und neuen Testamentes (erschienen ab 1830) 

Erstausgabe: Universal-Edition (Josef Venantius Wöß, 1926)
NGA: XX/5 (Hawkshaw, 1996)

Van Zwol Bruckner-Biografie 697f. 



 



Chronologischer Überblick über die Aufnahmen

Die älteste Aufnahme ist die unter Swoboda, die etwa 1950 entstanden ist. Swoboda ist in heutigen Nachschlagewerken nicht mehr präsent; er war ein tschechisch-amerikanischer Dirigent, der um 1950 mit einigen europäischen Orchestern für Westminster und MMS eine Reihe von Aufnahmen gemacht hat, u.a. von Bruckner mit den Wiener Symphonikern die 6. Symphonie und die Psalmen 112 und 150. Seine Aufnahme des 112. Psalms ist mit 13'25 die langsamste im Katalog. Der Anfang ist wuchtig, und damit ist der Ton gesetzt. Umso erstaunlicher, dass der Klang, außer an manchen ff-Stellen, für die damalige Zeit unvorstellbar transparent ist - man kann den Text weitgehend verfolgen. Die Interpretation steht deutlich in der romantischen Tradition, das Tempo wird nicht straff eingehalten sondern manchmal, zwecks größerer Dramatik, verzögert. Es ist eine heftige, aufwühlende Aufnahme: "Wer ist wie der Herr unser Gott" gerät zu einem dramatischen Höhepunkt. Zu diesem Stil passt, dass der - anscheinend eher kleine aber fulminant singende - Chor ein deutliches Vibrato einsetzt. Es ist eine eindrucksvolle Aufnahme, die einen nicht unberührt lässt.

Die Aufnahme unter Best entsteht 1987, und inzwischen hat sich in der musikalischen Landschaft einiges geändert. Für Best ist anscheinend nicht mehr romantisches Empfinden, sondern der Notentext ausschlaggebend. Das Blech schmettert seine Fanfaren alla Händel (den Bruckner ja studiert hat), frisch und jubelnd ertönt das Alleluia, das Tempo liegt viel höher als bei Swoboda: 10'03. Chor und Orchester liefern einen vollen aber nicht pompösen Sound, die Aussprache des deutschen Textes gelingt dem Chor ohne Probleme. Eine moderne "mustergültige" Aufnahme.

Nur drei Jahre später (1990) liefert Rickenbacher seine Sicht auf das Werk. Das Tempo ist noch schneller (09'07), die Musik wirkt frisch und flott, wie bei Best, nur die Aufnahme wirkt bei Rickenbacher etwas transparenter, der Text ist besser verständlich. Wir hören weniger barockes Geschmetter, der Klang ist mehr 19. Jahrhundert. Auch die Alleluia-Fuge bleibt im Klang durchsichtig, das Tempo überzeugt, das Ganze klingt natürlich und die Fuge wirkt nicht als kompositorische 'Kür'. Rickenbacher vermittelt außerdem das deutlich dreiteilige Werk als Einheit.

Sawallisch (1992) ist mit 10'43 etwas langsamer als Best, erinnert sonst aber eher an Swoboda: Er entfaltet einen vollen, romantisch anmutenden Orchester- und Chorklang, ein natürlich wirkendes Tempo, das nicht schnell, sondern eher flüssig ist, und auch Ritardandi fließen ein; den Mittelteil, den er als dramatischen Höhepunkt gestaltet, nimmt er deutlich langsamer. Nicht Händel ist hier die Leitfigur, sondern eher Mendelssohn. Die Fuge klingt überwältigend - Best ist da viel 'trockener'. Sawallisch steht hier deutlich in derselben (katholischen?) Tradition wie Jochum. Bei ihm ist der Psalm ein spannendes Stück - obgleich auch er die einfallslose Wiederholung des ersten Teils am Ende nicht retten kann. Leider ist die Aufnahme sehr hallig; man hört sich zwar ein wenig ein und gewöhnt sich daran, aber viele Details verschwimmen im Nachhall.

Die bisher letzte (2000) Aufnahme, unter Beuchert, ist das Ergebis einer Schulaufführung; dass sie sich mit den anderen Aufnahmen nicht messen kann, liegt weniger an der Aufführung selbst, als an dem dumpfen, wenig differenzierenden Klang. Die Aufnahme ist mit 12'44 langsamer als Best und Sawallisch und wirkt, vielleicht auch wegen des Klanges, etwas schwerfällig; interpretatorisch steht sie eher in der romantischen Tradition. Der Chor klingt in höherer Lage manchmal ein wenig schrill und ungleichmäßig, singt aber ansonsten zuverlässig. Für ein nicht-professionelles Ensemble ist diese Aufnahme aber eine beachtliche Leistung!

Ergebnis: die eindrucksvollste Aufnahme ist gleichzeitig die älteste, von Swoboda, ist vielleicht aber klanglich nicht für jeden das richtige. Dann wäre Rickenbacher eine gute Wahl.




Matthew Best
Corydon Singers, English Chamber Orchestra
Aufnahmedatum: 12/14.2.1987
Aufführungsdauer: *10'03
Ausgaben: LP: Hyperion A66245; CD: Hyperion CDA66245

Rolf Beuchert
Chöre und Orchester des Albert-Schweizer-Gymnasiums und des Johannes-Kepler-Gymnasiums Leonberg
Aufnahmedatum: 19.7.2000 Live (Stadtkirche Leonberg)
Aufführungsdauer: *12'44
Ausgaben: CD: ASG-JKG 00.719-00

Karl Anton Rickenbacher
Chor und Orchester der Bamberger Symphoniker
Aufnahmedatum: 2+11/1990
Aufführungsdauer: *09'07
Ausgaben: CD: Virgin 5 61252 2, Virgin Classics VC 7 91481, Virgin Classics CDC 59060, Virgin Classics 61501, Hänssler Profil PH 13007 (Anton Bruckner - The Collection, 20 CD, vol. 17)

Wolfgang Sawallisch
Chor und Sinfonieorchester des Bayerischen Rundfunks
Aufnahmedatum: 27.9.1992 Live (Ottobeuren, Basilika)
Aufführungsdauer: 10'43
Ausgaben: mp3: Luna LU-1023 (Download von Opera-Club.net, 3 CD) 

Henry Swoboda
Wiener Akademie-Kammerchor, Wiener Symphoniker
Aufnahmedatum: ca. 1950
Aufführungsdauer: *13'25
Ausgaben: LP: Westminster WL 5055-6 (2 LP), Westminster WAL 201, Westminster XWN 18075, Westminster W 9600, Nixa WLP 6201; CD: Klassichaus GSC 052